Pflichtteilsberechtigte - Recht auf Akteneinsicht
Will ein Pflichtteilsberechtigter seine Ansprüche gegen den
Erben geltend machen, so kann er gem. § 2314 BGB vom Erben verlangen, dass
dieser ein Nachlassverzeichnis aufstellt, in dem alle Aktiva und Passiva des
Nachlasses aufgelistet werden. Der Erbe muss also angeben, welche
Nachlassgegenstände beim Erbfall tatsächlich vorhandenen waren und welche
Nachlassverbindlichkeiten bestanden. Der Erbe muss zudem auch über die zu
Lebzeiten erfolgten Schenkungen der Erblassers Auskunft erteilen.
Aber wie kann der Pflichtteilsberechtigte überprüfen, ob
die Angaben des Erben richtig sind?
Recht auf Grundbucheinsicht
Grundstücke und Eigentumswohnungen sind oft die Gegenstände,
die im Nachlass am werthaltigsten sind. Gleichzeitig werden Grundstücke und
Eigentumswohnungen vom Erblasser sehr häufig bereits vor dem Tode auf
Angehörige übertragen. Ist dass der Fall, kann dem Pflichtteilsberechtigten im
Hinblick auf die verschenkte Immobilie ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch
zustehen, dessen Höhe sich am Wert der verschenkten Immobilie bemisst.
Weiß der Pflichtteilsberechtigte, dass dem Erblasser ein
Haus oder eine Eigentumswohnung gehörte, von der der Erbe behauptet, sie habe
am Todestag nicht mehr im Eigentum des Erblassers gestanden, so kann der
Pflichtteilsberechtigte über die Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten
erfahren, ob und an wen die Immobilie verkauft oder verschenkt wurde. Mit Hilfe
eines Anwalts kann der Pflichtteilsberechtigte dann prüfen, ob und in welchem
Umfang die Immobilie gleichwohl noch bei der Berechnung des Pflichtteils zu
berücksichtigen ist.
Das Oberlandesgericht München hat daher bereits im Jahre
2012 entschieden (Az. 34 Wx 360/12), dass der Pflichtteilsberechtigte ein
berechtigtes Interesse daran hat, über den Inhalt des Grundbuchs einer zum
Nachlass gehörenden Immobilie unterrichtet zu sein, und somit ein Einsichtsrecht nach § 12 GBO
in Bezug auf das Grundbuch und die Grundakten besitzt.
Recht auf Einsicht in die Nachlassakte
Auch aus der Nachlassakte kann der Pflichtteilsberechtigte
oft wertvolle Informationen über den Bestand des Nachlasses erhalten.
Die Nachlassakte gibt Auskunft darüber, ob der Erblasser ein
Testament oder einen Erbvertrag errichtet hat sowie darüber, ob und durch
wen ein Erbscheinsantrag gestellt wurde. Da die Erben bzw. diejenigen, die
einen Erbschein beantragen, dem Nachlassgericht zur Festsetzung der Kosten
Auskunft über den Bestand des Vermögens desVerstorbene erteilen müssen, kann
der Pflichtteilsberechtigte mittels der Nachlassakte überprüfen, ob die Angaben
der Erben zum Bestand des Nachlasses richtig sind.
Daher hat der Pflichtteilsberechtigte als Beteiligter des
Nachlassverfahrens gem. § 13 Abs. 1 FamFG das Recht, die Nachlassakte
einzusehen.
Recht auf Einsicht in die Betreuungsakten des Erblassers
War der Verstorbene vor seinem Tode aus gesundheitlichen
Gründen oder aufgrund seines Alters nicht in der Lage, seine Angelegenheiten
selber zu regeln, und wurde aus diesem Grunde für ihn ein gesetzlicher Betreuer bestellt, führt das Gericht für den Erblasser eine sogenannte
Betreuungsakte.
Hatte der Betreuer den Aufgabenkreis der
Vermögenssorge und konnte er somit über das Vermögen, insbesondere über die
Konten des Erblassers verfügen, so muss der Betreuer dem Gericht jährlich
Rechenschaft über das von ihm verwaltete Vermögen des Erblassers legen und
Belege über die von ihm getroffenen Verfügungen vorlegen.
Aus der Betreuungsakte kann der Pflichtteilsberechtigte
daher möglicherweise umfassende Auskünfte über das Vermögen des Erblassers
erhalten.
Das Landgericht Mainz hat am
23.02.2017 (Az. 8 T 25/17) entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte ein
berechtigtes Interesse daran hat, die Betreuungsakten des Erblassers einzusehen, denn dieser
hätte ein Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses zu
verschaffen, weil dies sein Vorgehen gegen den Erben und Pflichtteilsschuldner
beeinflussen könne. Gerade die durch einen Betreuer gefertigten Berichte könnten
insoweit aufschlussreich sein.
Unser Tipp
Machen Sie Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Erben geltend, sollten Sie sich als Pflichtteilsberechtigter nicht
lediglich auf die erhaltenen Auskünfte der Erben verlassen. Vielmehr sollten Sie
nach Eintritt des Erbfalls mit Hilfe eines Anwalts auf jeden Fall Einsicht in das Grundbuch und die
Nachlassakten nehmen. Stand der Verstorbene unter rechtlicher Betreuung, sollte zudem auch die Betreuungsakte des Erblassers
eingesehen werden.
In der Nachlassakte vieler verstorbener Personen lässt sich hinterher feststellen, dass ein Testament vorhanden ist. Dieses ermöglicht, dass das eigene Vermögen an die gewünschten Nahestehenden weiter gegeben wird. Wer sich für ein Testament entscheidet, kann einen Notar zu Hilfe ziehen und sich von diesem ausgiebig beraten lassen.
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