Erbverzicht - Vorsicht ist geboten
Das OLG Hamm (Urteil vom 08.11.2016 - 10 U 36/15) hatte
jüngst entscheiden, dass es die Grenzen der Sittenwidrigkeit überschreitet,
wenn ein Vater seinen 18-jährigen Sohn für dessen Erb- und Pflichtteilsverzicht
lediglich mit einem schnellen Sportwagen
abfindet.
Ein Sportwagen als Gegenleistung - Das kann zu wenig sein
Wenige Tage nach dem 18. Geburtstag des Sohnes fuhr der
Vater mit dem Sohn zu einem Notar. Dort ließen die beiden den vom Vater in
Auftrag gegebenen „Erb-, Pflichtteils- und
Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht“ beim Tode des Vaters beurkunden. Als
Abfindung für diesen Verzicht sollte der Sohn den Sportwagen des Vaters erhalten, allerdings
nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich bei Vollendung des 25. Lebensjahres,
bei Bestehen der Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.17 mit der
Note 1 und der Ablegung der Meisterprüfung bis zum 31.12.2021 ebenfalls mit der
Note 1.
Kurz nach der Beurkundung wollte der Sohn den Vertrag
rückgängig machen und teilte dies dem Notar mit. Der Vertrag sei
sittenwidrig und damit nichtig. Ein Einvernehmen mit dem Vater war nicht zu
erzielen, so dass der Vertrag nicht aufgehoben werden konnte. So musste ein
Gericht darüber entscheiden, ob der Vertrag wirksam oder wegen Sittenwidrigkeit
unwirksam war.
Das OLG Hamm hat die Sittenwidrigkeit bejaht.
Es handele
sich bei dem Erbverzicht und der Abfindungsvereinbarung grundsätzlich um
verschiedene Rechtsgeschäfte. Sie seien aber nach dem Parteiwillen als ein
einheitliches Rechtsgeschäft gestaltet gewesen, weswegen die Nichtigkeit des
einen die Nichtigkeit des anderen nach sich ziehe. Die Nichtigkeit des
Erbverzichts ergibt sich nach der Ansicht des Gerichts vor allem daraus, dass
der Verzicht sofort und unbedingt vereinbart wurde, die Gegenleistung dagegen
aber nur dann vom Vater zu erbringen wäre, wenn alle drei Bedingungen
eintreten. Würde der Sohn nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllen, bekäme er
den Sportwagen nicht, sein Verzicht wäre unentgeltlich.
Darüber hinaus hat das Gericht die Bedingungen auch
inhaltlich bewertet. Dabei ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass der Sportwagen
keine ausreichende Gegenleistung für den Verzicht ist, weil der Wert des
Fahrzeugs bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres erheblich sinken wird. Ferner
beschränken die beiden anderen Bedingungen den Sohn nach Ansicht des Gerichts
unangemessen in seiner beruflichen Orientierung und der Sohn habe es nicht
allein in der Hand, ob er seine Abschlüsse jeweils mit der Note 1 würde machen
können.
Dem Vater sei es nur darauf angekommen, seine
Testierfreiheit mit einer verhältnismäßig geringen Abfindung und gegebenenfalls
sogar ganz ohne eine Gegenleistung zu erlangen. Dass der Vater nun behauptete,
er haben den Sohn zum zügigen und guten Abschluss einer Berufsausbildung
motivieren wollen, erschien dem Gericht nur vorgeschoben. Zur Erreichung dieses Ziels
hätte es nach Ansicht des Gerichts keines Verzichts bedurft.
Das Gericht führt weitere aus: Der Vater habe zudem die jugendliche Unerfahrenheit seines Sohnes bewusst ausgenutzt. Der Vater habe dem Sohn einen Sportwagen als Gegenleistung in Aussicht gestellte, für den der Sohn sich außerordentlich begeistert hatte. Der Zeitpunkt der Beurkundung sei vom Vater ganz bewusst so gelegt, dass die Beurkundung unmittelbar nach Erreichung der Volljährigkeit des Sohnes und ohne den Einfluss und Rücksprache mit der Mutter erfolgte. Der Vater habe beim Sohn den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Geburtstagsgeschenk.
Das Gericht führt weitere aus: Der Vater habe zudem die jugendliche Unerfahrenheit seines Sohnes bewusst ausgenutzt. Der Vater habe dem Sohn einen Sportwagen als Gegenleistung in Aussicht gestellte, für den der Sohn sich außerordentlich begeistert hatte. Der Zeitpunkt der Beurkundung sei vom Vater ganz bewusst so gelegt, dass die Beurkundung unmittelbar nach Erreichung der Volljährigkeit des Sohnes und ohne den Einfluss und Rücksprache mit der Mutter erfolgte. Der Vater habe beim Sohn den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Geburtstagsgeschenk.
Die Entscheidung der OLG Hamm zeigt, dass die Gegenleistung
für den Erbverzicht sorgsam ausgewählt und der Verzichtende mit dem Abschluss
des Vertrages nicht überrumpelt werden darf.
Die Entscheidung gibt zudem Anlass, sich einmal ganz
grundsätzlich mit dem Thema Erbverzicht zu befassen. Der Erbverzicht hat Rechtsfolgen
die die Vertragsschließenden oft nicht bedenken.
Vorsicht beim Erbverzicht
Nach Abschluss eines Erbverzichtsvertrages kann der Erblasser somit völlig frei bestimmen, wer sein Erbe wird, ohne Gefahr zu laufen, dass der Pflichtteilsberechtigte nach seinem Tod von den Erben verlangt, dass diese ihm den Pflichtteil auszahlen.
Ungeahnte und ungewollte Folgen
Was zunächst für den Erblasser nach einem guten Geschäft aussieht, kann jedoch erhebliche Folgen haben, an die weder der Erblasser noch der Verzichtende bei Abschluss des Vertrages gedacht haben. Die ungewollten Folgen zeigen sich meist erst dann, wenn der Erblasser verstirbt. Dann aber kann der Vertrag nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Welche Probleme können auftreten?
Da derjenige, der auf sein Erbrecht verzichtet, vom Gesetz so behandelt wird, als sei er bereits verstorben - auch wenn er/sie sich noch bester Gesundheit erfreut - kommt es durch den Erbverzicht zu einer unmittelbaren Änderung der gesetzlichen Erbfolge. Es kann die Erbquote anderer Personen erhöht oder ein gesetzliches Erbrecht Dritter begründet werden. Verzichtet zum Beispiel nur eines von mehreren Kindern auf sein Erbrecht, erhöhen sich automatisch die Erbquoten der anderen Kinder. Ist der Erblasser verheiratet und hat er nur ein Kind, welches auf sein Erbrecht verzichtet, ist beim Tod des Erblasser nicht allein der überlebende Ehegatte/eingetragene Lebenspartner gesetzlicher Erbe, sondern ggf. auch die noch lebenden Eltern des Verstorbenen.
Der Erbverzicht hat ferner auch Auswirkungen auf die Pflichtteilsquote anderer Personen.
Denn nach § 2310 BGB wird bei deren Berechnung derjenige nicht mitgezählt, der durch einen Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde. Dadurch vergrößert sich in der Regel die Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten oder es kann der Erbverzicht sogar erst das Pflichtteilsrecht einer anderen Person begründen.
Abkömmlinge - also Kinder/Enkel/Urenkel - und die Eltern gehören zu den gesetzlichen Erben. Werden diese Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, können die Kinder, und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die Eltern des Verstorbenen, vom Erben verlangen, dass dieser ihnen die Hälfte des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil auszahlt.
Verzichtet nun beispielsweise eines von drei Kindern auf sein Erbrecht und setzt der Vater die Mutter zur Alleinerbin ein, dann hat der Erbverzicht zur Folge, dass die Kinder, die nicht nicht verzichtet haben, von der Mutter einen höheren Pflichtteil verlangen können. Der überlebenden Mutter ist damit mit dem Erbverzicht nicht geholfen, sie spart den Anteil des verzichtenden Kindes beim Pflichtteils nicht ein, sondern muss dessen Pflichtteil quasi an die zwei verbleibenden Kinder auszahlen. Noch drastischer wäre die Folge, wenn das Ehepaar nur ein Kind hätte, welches auf sein Erbrecht verzichtet. In diesem Fall kann es unter bestimmten Voraussetzungen passieren, dass die Mutter den Eltern ihres verstorbenen Ehemannes den Pflichtteil auszahlen muss.
Wer sicherstellen möchte, dass er zum Erben einsetzen kann wen er will, ohne dass dieser Erbe später einmal mit den Pflichtteilsansprüchen von Kindern oder Eltern belastet ist, der sollte mit den gesetzlichen Erben keinen Erb- sondern lediglich einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen und zugleich in einem Testament festlegen, wer sein Erbe wird.
In einem Pflichtteilsverzichtsvertrag verzichtet der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser nur darauf, nach dem Tode des Erblassers seinen Pflichtteil zu verlangen. Der Verzichtende bleibt aber weiterhin gesetzlicher Erbe. Es erhöhen sich weder die Erbquoten der anderen gesetzlichen Erben noch die Pflichtteilsquoten der weiteren Pflichtteilsberechtigten.
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